Die Berliner Abendschau ist ab und an ein Quell politischer und gesellschaftlicher Stilblüten.
Gezeigt wurde ein Beitrag zur Fertigstellung eine Hochhauses in Lichtenberg. Der Reporter machte sich mit der Dame der Wohnungsbaugesellschaft auf den Weg ins Haus zur Besichtigung. 113 Wohnungen hat das Haus wohl, ein Drittel davon sollen Sozialwohnungen sein. Angekommen im zehnten Stockwerk wurde dann eine 2-Zimmer-Wohnung präsentiert. Das ist das Wohnzimmer und hier die offene Küche, wurde uns erklärt. Die Kamera zeigt eine nackte Wand. Mit etwas Fantasie konnte man beim kurzen Schwenk gerade noch etwas wie ein Stück Rohr in der Wand erkennen.
So, das ist es also, was wir heute unter Sozialbau verstehen. Eine Wohnung mit einem Raum, den man Küche nennt und sich durch nichts von den anderen Räumen unterscheidet, als einem verstöpselten Abflussrohr.
Ach ja, der Preis. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann waren das um die 40 qm (so hörte sich das an) für eine Miete von 6,50 Euro pro qm kalt. Das nennt sich dann: Geförderte Wohnung.
Und noch etwas: Das Klo geht von der Küche ab, ebenso das kleine Zimmer. Eine wahrlich architektonische Meisterleistung. Darauf lässt sich stolz sein?
Nun bin ich etwas älter und erinnere mich noch sehr gut an Wohnungen, die in den Siebzigern gebaut wurden. Damals nannte sich das "Sozialbau". Stets war eine Einbauküche dabei. Teilweise sogar mit Geräten. Eine Küche bestand demnach mindestens aus einer Spüle und einem Herd. Das ergibt ja auch einen Sinn. Denn das sind wohl die Hauptmerkmale des Wortes "Küche". Wer das nicht glauben kann, mag sich gern aufmachen und am Wochenende einige Wohnungen aus den Siebzigern besichtigen. Die befinden sich meist noch im Originalzustand. Vor allem das Bad und die Küche. Abgeranzt, eklig und völlig unbrauchbar, aber original. Vor 40 Jahren war das der Hit und die Glückseligkeit beim Einzug.
Wohnungen hatten meist auch einen Flur, von dem die Zimmer abgingen. So auch die Toilette und die Küche. Das man nun vom Herd aus direkt auf den Porzellansitz schauen kann halte ich nicht für einen Fortschritt in der Wohnkultur. Und letztlich ist die offene Küche auch nur ein Plagiat amerikanischen Unvermögens. Worüber sich aber sicherlich streiten lässt. Zumindest ist die offene Küche ein Sparfaktor (Wände, Türen, Fenster, Tapete), der uns als Errungenschaft verkauft wird. Zur Belohnung haben wir dann nicht nur den Küchenlärm in der guten Stube, sondern auch alle leckeren Gerüche. Und damit diese sich auch nachhaltig im Sofa einnisten können, kann die Küche, zumindest in unserer Abendschau-Musterwohnung, nicht einmal gelüftet werden. Alles in allem also ein Wohn-Küchen-Klo. Eine wahre Meisterleistung der HOWOGE.
Ich möchte nicht unterschlagen, dass tatsächlich das Berliner Wohnungsaufsichtsgesetz, als einziges Bundesland, eine Kochmöglichkeit, einen Ausguß und eine Wasserversorgung vorgibt. Das kann eine einzelne Kochplatte, manche schreiben auch Campingkocher, und ein Minispülbecken sein. Ob dazu ein Wasserhahn gehört, konnte ich nirgends nachlesen.
Fakt ist, die Kochplatte sollte wohl nicht auf der Erde stehen dürfen. Oder vielleicht doch? Jedenfalls hat die HOWOGE beides nicht gezeigt. Zumindest nicht im Beitrag. Das hätte wohl dann doch ziemlich albern ausgesehen und das wahre Gesicht offenbart. Traurig.
Geschmack und Vorliebe kann unterschiedlich empfunden und verankert sein. Kritisch sehe ich aber die fehlende Grundausstattung einer Sozialwohnung. Was ist daran sozial, wenn sich Menschen mit wenig Geld, die auf solche Wohnungen angewiesen sind, dann zum Einzug erst noch eine teure Küche kaufen müssen? Und komme mir nun keiner mit der Behauptung, für 1000 Euro gäbe es ja schon alles im Laden zu kaufen. Inklusive Herd, Abzugshaube, Kühlschrank, Spüle und natürlich den Einbau.
Sollte dieses Angebot existieren, ist es genau das Geld wert, was dafür bezahlt werden soll, also genau: Nichts.
Anders herum aber ist bei einem Großprojekt mit über 100 Wohneinheiten ein guter Küchenpreis sehr wohl möglich. Wenn die HOWOGE es gewollt hätte. Aber so weit reicht der soziale Aspekt dann wohl doch nicht.
Möglicherweise werden nun Planer, Architekten und Gesellschaften aus ihren Löchern springen und behaupten, diese Leere wäre ja nur zum Vorteil des Mieters, der nun seinen eigenen Stil, ganz nach seinem Bedarf, einpflegen könne. Es wäre ja nur von Vorteil, wenn man alles Mitgebrachte wunderbar aufstellen könne. Dumm nur, wenn gerade diese Menschen nichts zum Mitbringen haben. Noch dümmer, wenn junge Menschen sich gerade erst ein eigenes Heim aufbauen wollen. Ohne viel Geld und Gerätschaften. Und zu guter Letzt, warum dann nicht gleich auf alles verzichten? Warum nicht Badewanne, Dusche, Porzellansitz, Kacheln, Tapeten und Türen weglassen? Da kann man sich doch frei entfalten.
An diesem Punkt kommt nun der Staat ins Spiel. Der Sozialbau nennt sich eigentlich "Geförderter Wohnungsbau". Der Staat gibt Geld dazu. Pro Quadratmeter. Im Anschluss fallen dann diese Wohnungen eben unter diesen Passus, mit bestimmten Auflagen. Die Politik hat hier also ein Mitbestimmungsrecht. Genauer gesagt, der Bürger hat das Mitbestimmungsrecht. Und die Politik, als Geldgeber, sollte Sprachrohr und Umsetzer der Bürgerwünsche sein. Deshalb fragt sich, warum ein Politiker der Meinung sein kann, eine Küche würde sich allein durch die Anwesenheit eines nackten Rohres als solche definieren? Selbst dann, wenn in Berlin, als als einzige Ausnahme, eine Spüle und eine einzelne Kochplatte vorgegeben ist. Küche, kann man das trotzdem nicht nennen. Was haben also unsere Politiker die letzten 40 Jahre getan? Radwege werden nicht einmal, sondern in manchen Gegenden drei mal gebaut. Wohnqualität scheint hingegen unwichtig zu sein.
Dennoch, allgemein gibt es Versäumnisse, wenn es um das Wohnen geht. Der von mir geschilderte Fall der Wohnbesichtigung macht das deutlich. Diese Wohnungen sind einst geförderte Wohnungen gewesen. Heute werden sie als freie Wohnungen auf den Markt geworfen. Man kann sie ansehen. Und kann die Küchen sehen, die vor 40 Jahren eingebaut wurden. Nichts, aber auch gar nichts haben die Eigentümer investiert. Nur kassiert. Kein Werterhalt, keine Anpassung. Oft ist alles abgewohnt, defekt, herunter gekommen, mit fetter Farbe übergepinselt, die Fenster alt, die Bäder noch mit Original-Porzellan und die Kacheln im Bad in den unmöglichsten Farben. Wasserarmaturen sind alt und nie erneuert worden.
Ist es anders, dann lässt man sich das vom Mieter bezahlen. Pro Quadratmeter. Verträge werden so aufgesetzt, dass der Mieter die Küche immer wieder auffüllt. Ein prima Geschäftsmodell. Wo sind all die Gelder hin, die da in 40 Jahren geflossen sind?
Warum kann man in eine Förderung nicht gleich auch den Erhalt vertraglich regeln? Gehen tut das, nur machen muss man das auch. Genau so, wie ich einen Grundriss und den Inhalt vorschreiben kann.
Besser wird das alles nicht werden. Wohnen wird zum Abenteuer. Für die Ärmsten bedeutet das, eine schöne weiße Tapete an der Wand........
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